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Nr. 1 / Februar 2024

Die Geschicke der UK Nord in den richtigen Bahnen halten

Die Sozialversicherungsträger haben eine eigene Stimme: die Selbstverwaltung. Jan Jacobsen und Michael Rüther, alternierende Vorsitzende unserer Vertreterversammlung, berichten, welche Gestaltungsmöglichkeiten eine Selbstverwaltung heute hat.

Eine Gruppe von Menschen an einem Tisch in einer Besprechung Quelle: Yellowj – shutterstock.com

Die paritätische Selbstverwaltung ist ein konstitutives Merkmal der Sozialversicherung in Deutschland. Hinter dem etwas sperrigen Begriff steckt ein Stück gelebte Demokratie: Bürger, in diesem Fall Versicherte und Arbeitgeber:innen, gestalten die Geschäftspolitik ihres Sozialversicherungsträgers. Der Staat gibt lediglich den sozialpolitischen Rahmen vor. So hat jeder Unfallversicherungsträger ein Parlament, die Vertreterversammlung, und eine Exekutive, den Vorstand. Alle Selbstverwaltungsmitglieder – bei der UK Nord sind es 64 – arbeiten ehrenamtlich. Sowohl in der Vertreterversammlung als auch im Vorstand wechselt der Vorsitz jährlich zum 1. Januar zwischen der Arbeitgeber- und der Versichertenseite (alternierender Vorsitz). 

Vertreterversammlung: neuer alternierender Vorsitzender auf Arbeitgeberseite 

Nach der Sozialwahl im Frühjahr 2023 konstituierte sich im September die neue Vertreterversammlung. Jan Jacobsen, Verbandsgeschäftsführer der Kommunalen Arbeitgebervereinigung (KAV) Schleswig-Holstein, ist nicht nur neu in der Vertreterversammlung. Er ist auch neuer Vorsitzender auf Arbeitgeberseite. Auf der Versichertenseite führt Michael Rüther, ver.di, den Vorsitz. Herr Rüther gehört der Vertreterversammlung seit 2005 an, im August 2005 wurde er zum alternierenden Vorsitzenden gewählt und hat dieses Amt seitdem ununterbrochen inne. 2024 stellt die Arbeitgeberseite den Vorsitzenden. 

Warum engagieren sich Arbeitgebende und Versicherte in der Selbstverwaltung? Welche Gestaltungsmöglichkeiten hat die Selbstverwaltung in Zeiten knapper öffentlicher Haushalte, Fachkräftemangel und Klimawandel? Sicher & gesund hat Jan Jacobsen und Michael Rüther gefragt.

1. Was motiviert Sie zur Arbeit in der Selbstverwaltung der UK Nord?

Jan Jacobsen:

Die Selbstverwaltung in der gesetzlichen Unfallversicherung bedeutet für mich gelebte Demokratie und gelebte Verantwortung. Eine wesentliche Grundlage der Sozialversicherung ist das Selbstverwaltungsprinzip, das sich in allen Zweigen der Sozialversicherung und somit auch bei der UK Nord findet. Selbstverwaltung bedeutet für mich, mich im Interesse der Arbeitgebenden an den grundlegenden Entscheidungsprozessen der UK Nord zu beteiligen und die Geschicke der UK Nord auch in den nächsten Jahren in den richtigen Bahnen zu halten. Diese Arbeit macht die ehrenamtliche Tätigkeit in der Selbstverwaltung so spannend und interessant.

Die Mitarbeit in der Selbstverwaltung ist für mich wichtig, weil durch sie mitbestimmt werden kann, wo die Beiträge eingesetzt werden. Darüber hinaus gibt sie den Sozialversicherungsträgern eine eigene Stimme und ist damit näher am Menschen als die staatliche Verwaltung. Die Zukunft der Sozialversicherung darf nicht allein der Politik überlassen werden! Durch die Arbeit in der Selbstverwaltung werden die Gelder der Sozialversicherung vor dem willkürlichen Zugriff des Staates geschützt.

Ich hoffe, durch meine Mitarbeit in der Selbstverwaltung die Sozialversicherung zum konkreten Nutzen aller Beteiligten mitgestalten zu können, damit die UK Nord auch in den bewegten Zeiten, in denen wir uns gerade befinden, Verlässlichkeit und Stabilität garantieren kann. 

Michael Rüther: 

Soziale Selbstverwaltung ist ein hohes Gut! Es ist mir wichtig, gemeinsam als Vertretung von Versicherten und Arbeitgeber:innen die Arbeit, Aufgaben und Leistungen der Unfallkasse Nord ein Stück weit mitzugestalten. Die gesetzlichen und satzungsrechtlichen Regelungen geben den Rahmen vor, in dem Einfluss auf die Geschicke der Unfallkasse genommen werden kann. Diesen Rahmen und den damit verbundenen Spielraum möchte ich nutzen.

Motivierend ist für mich auch, dass gemeinsam mit der Seite der Arbeitgebenden Lösungen für die verschiedenen Herausforderungen gefunden werden können. Beiden Seiten ist immer daran gelegen, Kompromisse zu finden, die tragfähig sind. Es gibt keine Blockaden, Schubladendenken oder sonstige Animositäten, die die Arbeit beeinträchtigen. Man muss nicht immer einer Meinung sein; wichtig ist, am Schluss ein belastbares Ergebnis zum Wohle der Unfallkasse präsentieren zu können. Unterm Strich geht es den Sozialpartnern immer darum, gemeinsam mit der Verwaltung bestmögliche Ergebnisse für die Versicherten zu erreichen.

2. Welche Ziele haben Sie für diese Sozialwahlperiode?

Jan Jacobsen:

Nach allem, was ich bisher sehen konnte, bin ich der Meinung, dass die UK Nord im Haupt- und Ehrenamt in den letzten Jahren hervorragende Arbeit geleistet hat. Diese Kontinuität möchte ich gerne mit und durch meine Arbeit fortsetzen und vertiefen. Wichtig wird es sein, die finanziellen Herausforderungen dieser Sozialwahlperiode zu meistern und dabei die berechtigten Interessenlagen der Versicherten, aber auch der Arbeitgeber nicht aus den Augen zu verlieren. Es ist perspektivisch zu befürchten, dass die Unfallkasse niedrige Beitragseinnahmen durch die demografische Veränderung bei den Versicherten verzeichnen wird. Hierauf gilt es sich einzustellen. Insgesamt ist der eingeschlagene Kurs aber gut und geeignet, diese Ziele zu erreichen.

Michael Rüther: 

Zunächst einmal werden wir die neuen ordentlichen und stellvertretenden Mitglieder in den Gremien so gut wie möglich in ihre Aufgaben einführen. Dazu gehören zum Beispiel die Vermittlung von Grundkenntnissen im Bereich der Haushaltsaufstellung, zum gesetzlichen Auftrag der Unfallversicherung oder auch die interne Arbeitsstruktur der Unfallkasse (Leistung, Prävention …). Insbesondere die neuen Ausschussmitglieder müssen sich zügig mit der Arbeit in den Ausschüssen vertraut machen. Ich bin überzeugt, dass dies, wie in den vergangenen Legislaturperioden auch, gut gelingen wird. Dazu wurde bereits mit der Klausurtagung der Selbstverwaltung Ende Januar dieses Jahres ein Anfang gemacht. Die Ausschüsse der Selbstverwaltung bilden die Schnittstelle zu den Versicherten und sind daher besonders wichtig.

Wir werden daran arbeiten müssen, das Konstrukt der Selbstverwaltung und der Sozialwahlen so weiterzuentwickeln, dass wir auch zukünftig gut aufgestellt bleiben. In der Politik wird immer mal wieder der Versuch unternommen, die soziale Selbstverwaltung zu schwächen oder in bestimmten Bereichen ganz abzuschaffen. Selbstverwaltung ist ein wichtiges Instrument der Demokratie, das es zu stärken gilt.

3. Welche Herausforderungen sehen Sie für die Selbstverwaltung der UK Nord?

Jan Jacobsen: 

Es sind diverse Herausforderungen vorhanden, die in den nächsten Jahren relevant werden. Als Stichworte seinen hier insbesondere der technologische und der demografische Wandel genannt. Die fortschreitende Digitalisierung und der Einsatz neuer Technologien wie künstliche Intelligenz und Automatisierung werden mehr Bedeutung gewinnen. Hier müssen alle Beschäftigten und auch die Versicherten mitgenommen werden. Auch gilt es, die rentenbedingte Fluktuation bei der UK Nord auszugleichen. Weiter ist davon auszugehen, dass sich die gesellschaftlichen Erwartungen weiter ändern werden, insbesondere in Bezug auf Nachhaltigkeit, ethische Praktiken und soziale Verantwortung. Die Selbstverwaltung muss hier möglicherweise ihre Handlungsoptionen entsprechend anpassen.

Ich freue mich sehr auf die kommenden Jahre in der Selbstverwaltung und wünsche uns allen eine gute Zusammenarbeit hier im Ehrenamt und mit dem Hauptamt.

Michael Rüther: 

Wir werden sehr genau die politisch motivierten Änderungsversuche im Leistungsspektrum der Unfallversicherung beobachten und ihnen ggf. entgegentreten oder zumindest operationalisierbar machen. Ein aktuelles Beispiel dazu sind die Änderungen bei der Hilfsmittelversorgung der Geschädigten im Bereich des Versorgungsrechts (Kriegsopfer, Opfer von Gewalttaten, Impfgeschädigte sowie weitere Personengruppen). Hier hat der Gesetzgeber Zuständigkeiten an die Unfallkassen der Länder übertragen.

In der letzten Legislaturperiode sind bereits mehrere aktuelle Themen angestoßen und von uns begleitet worden. Insbesondere Digitalisierung und Künstliche Intelligenz sind hier als Herausforderungen für die Beschäftigten und Versicherten der Unfallkasse zu nennen: Worin liegt der Nutzen? In welchem Zeit- und Kostenrahmen ist was realistisch umsetzbar? Welche ethischen und arbeitsrechtlichen Fragen müssen beantwortet werden?

Die Finanzierung der Unfallkasse Nord über die Beiträge der Arbeitgebenden wird in jedem Fall ein wichtiges Thema sein. Eine nachhaltige Finanzentwicklung über die Steuerung des Beitragssatzes ist von großer Bedeutung. Einerseits ist Planungssicherheit für die öffentlichen Haushalte wichtig, andererseits sind längerfristige Prognosen zu den Ausgaben der Unfallkasse zunehmend schwierig.

Die Vertreterversammlung wird sich auch mit dem demografischen Wandel und dem Arbeits- und Fachkräftemangel beschäftigen müssen. Auch hiervon bleibt die Unfallkasse Nord nicht verschont.

Ich freue mich sehr auf die gemeinsame Arbeit mit allen Kolleg:innen in den Gremien der Selbstverwaltung und auf die nach wie vor gute, verlässliche und verbindliche Zusammenarbeit mit der Verwaltung.

 

Interview: Klaudia Gottheit

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