Mehr Platz für E-Roller
Surfen bald E-Roller legal auf Geh- und Radwegen herum? Was das für die Sicherheit aller bedeutet.
Die Verordnung über Elektrokleinstfahrzeuge regelt, wie elektrische Tretroller am Straßenverkehr teilnehmen*. Von der Verordnung nicht erfasst: motorisierte Skate- und Longboards: Sie gehören zwar eigentlich zu der neuen Fahrzeugklasse, verfügen aber nicht über die erforderliche Lenk- und Haltestange.
Auch bis zu 25 km/h schnelle E-Bikes sind nicht gemeint. Sie wurden schon immer Fahrrädern gleichgestellt, da ihr Motor nur unterstützend tätig ist. Das S-Pedelec, bis zu 45 km/h schnell, fällt auch raus: Es gehört zu der Klasse der Kleinkrafträder.
Hart umkämpfter Verkehrsraum
Es wird also bunt auf deutschen Straßen. Und eng. So begrüßenswert der Ausbau der Mikromobilität ist, so erhöht er nach Ansicht von Jens Deye, stellvertretender Vorstand des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs, Landesverband Hamburg e.V., erst einmal den Stress auf der Straße: „Bereits heute wird der Verkehrsraum stark beansprucht“, so der Radexperte. Mit der Zulassung von E-Rollern auf Geh- (bis zu 12 km/h) und auf Radwegen (bis zu 20 km/h) würde er weiter strapaziert: „Konflikte sind vorprogrammiert: durch die zunehmende Zahl der Verkehrsteilnehmenden, verschiedene Bewegungsmuster und Geschwindigkeiten.“
Abstand halten, Rücksicht nehmen
Deye rät zu mehr Rücksichtnahme. Am wichtigsten: Autofahrerinnen und -fahrer müssen Räder und Roller mit einem Abstand von mindestens 1,50 m überholen. Dieser Abstand bemisst sich von der äußersten Fahrrad-Lenkstange links bis zum Auto-Außenspiegel rechts – auch wenn ein Radfahrstreifen auf der Straße existiert. Für LKW und Busse gelten sogar zwei Meter. „Radfahrende müssen immer weiträumig überholt werden, ein bloßes An-ihnen-Vorbeifahren reicht nicht aus“, so Deye. Rad- und Rollerfahrende wiederum sollten mit ihrem Gefährt vertraut sein und vorausschauend fahren. Gerade beim Umstieg auf ein elektrisch betriebenes Fahrzeug kann die plötzliche, nicht durch eigene Kraft ausgelöste Geschwindigkeit überfordern.
Beim Sturz mit dem Zweirad ist der eigene Körper die Knautschzone. Je höher die Geschwindigkeit, desto härter ist der Aufprall bei einem Sturzunfall. Martin Ochsenfarth, Leiter der Abteilung Prävention und Arbeitsschutz der UK Nord rät Fahrerinnen und Fahrern von E-Rollern deshalb: „Der Gesetzgeber plant zurzeit noch keine Helmpflicht für E-Roller.
Die Fahrerinnen und Fahrer sollten für ihre eigene Sicherheit immer bedenken, dass der Kopf ein sehr verletzlicher Körperteil ist – und ihn wie beim Fahrradfahren durch einen Helm schützen.“
Nicht gefährlicher als Radfahren
Unproblematisch findet Jens Deye, dass nach der neuen Verordnung 12-Jährige einen 12 km/h schnellen E-Roller fahren dürfen. „Mit jedem Fahrrad sind sie schneller“, konstatiert der Verkehrsexperte. „Wichtiger, als Bewegung zu verbieten, ist es, Bewegung in sicheren Räumen zu ermöglichen. Nur so lernen Kinder Verkehrssicherheit.“ Für kleine wie große Mikro-Mobilisten gelte daher: Sie brauchen Platz. Und der sei da, aber falsch verteilt. Beispiel: Die Stadt Hamburg plant, den Anteil des Radverkehrs bis 2025 von zuletzt 15 auf 25 Prozent zu steigern. „Wenn das gelingt, reduziert sich der Autoverkehr automatisch um bis zu 40 Prozent“, vermutet Deye. Diese frei werdenden Flächen könnten zu ausreichend breiten und – etwa durch Poller – geschützten Fahrstreifen für Zweiräder umgebaut werden. Reicht der vorhandene Platz dafür nicht aus, bedarf es Tempo-30-Zonen. Jens Deye: „Wenn wir das erreichen, haben alle gewonnen: die Umwelt, die Sicherheit und die Gesundheit der Menschen.“
Petra Bäurle, freie Journalistin
* Bei Redaktionsschluss stand die Entscheidung des Bundesrates am 17. Mai 2019 noch aus.