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Nr. 3 / Juli 2019

Ich bin unkaputtbar!

Besonders beliebt ist das Manipulieren von Maschinen: „Da werden Schalter festgeklemmt oder verkeilt, Schutzvorrichtungen so ausgetrickst, dass bei laufendem Motor Wartungs- und Reinigungsarbeiten vorgenommen werden können“, berichtet Guido Pohlmann, Sachgebietsleiter für 
Unternehmen und Behörden bei der UK Nord. Über ein Viertel aller Arbeitsunfälle an Maschinen geht laut Institut für Arbeitsschutz der DGUV (IFA) auf solche Manipulationen zurück. „Als Grund wird meist Zeitmangel angegeben“, erklärt Bauingenieur Pohlmann. Auch die Bequemlichkeit spiele eine Rolle. „Und das trügerische Gefühl: ‚Ich hab‘ die Maschine im Griff, ich bin unkaputtbar!‘“ Eine lebensgefährliche Selbstüberschätzung: Über 40.000 Arbeits­unfälle an Maschinen verzeichnete die DGUV-Statistik 2017, 14 Prozent von ihnen verliefen tödlich.

„Lass mal schnell fertig werden!“ 

Das bestätigt auch Lutz Herrmann, Fachkraft für Arbeitssicherheit bei der Stadtreinigung Hamburg: „Der Wunsch, die Arbeit schnell zu erledigen, ist das Hauptproblem beim Arbeitsschutz.“, erläutert der Chemieingenieur. „Unsere Leute sind den ganzen Tag auf den Beinen, wuchten schwere Müllbehälter über Bordsteinkanten und Straßen oder Möbel aus dem Keller rauf und vom Dachboden herunter. Da kann man schnell stolpern, stürzen oder sich verheben.“ Wer da noch Zeit sparen will, arbeitet fahriger, gestresster und verzichtet mal eben schnell auf Hebehilfe oder Tragegurt. Ein weiteres Problem sei der Gruppendruck. „Unsere Leute arbeiten in Kolonnen von vier Leuten. Wenn da einer beschließt, ich achte jetzt mal mehr auf meine Gesundheit und arbeite langsamer‘, bringt das gar nichts. Der wird dann als Störfaktor angesehen – und lässt es ganz schnell wieder bleiben.“ 

Motivieren statt gängeln

Was vielen Beschäftigten nicht bewusst ist: Nicht nur der Arbeitgeber ist zum Arbeitsschutz verpflichtet, auch die Beschäftigten müssen laut §§ 15ff DGUV 1 Schutzmaßnahmen umsetzen und Mängel melden, um damit einen sicheren und gesunden Arbeitsfortgang zu ermöglichen. Nimmt eine versicherte Person beispielsweise Drogen oder Alkohol zu sich und gefährdet damit sich oder andere, kann der Unfallversicherungsträger ein Ordnungswidrigkeitenverfahren einleiten. 

Doch Drohungen nutzen in der Regel wenig: „Verbote bewirken oft nur, dass sie umgangen werden“, resümiert Guido Pohlmann aus über zwanzig Jahren Aufsichtstätigkeit. Und Lutz Herrmann pflichtet bei: „Wir arbeiten nicht mit Repressalien.“ Vielmehr versuche er, die Kolleginnen und Kollegen in Workshops für das Thema zu sensibilisieren und die Vorteile aufzuzeigen. Wichtiger als der Hinweis auf Paragrafen sei es, Menschen zu motivieren. Und sie bei der  Moral zu packen. Guido Pohlmann: „Wer Arbeitsschutz lebt, fällt weniger aus. Und weniger Ausfallzeiten des Einzelnen bedeuten weniger Belastung für alle.“ 


Petra Bäurle, freie Journalistin

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