Rote Augen sieht man im Homeoffice nicht
Wie wichtig ist eine Betriebsvereinbarung Cannabis?
UK Nord: Herr Garden, Sie befassen sich seit Längerem mit den juristischen Maßnahmen im Zuge der Teillegalisierung von Cannabis. Was empfehlen Sie Arbeitgebenden? Wie wichtig ist eine Betriebsvereinbarung?
Florian Garden:
Wenn Arbeitgebende ein umfassendes Konsumverbot in ihrem Betrieb einführen möchten, kann eine Betriebsvereinbarung ein wichtiges Instrument darstellen. Das Gesetz sieht derzeit nur ein relatives Konsumverbot vor. Nach den Unfallverhütungsvorschriften gilt bislang, dass sich Beschäftigte durch den Konsum von Drogen, Medikamenten oder anderen berauschenden Mitteln nicht in einen Zustand versetzen dürfen, durch den sie sich selbst oder andere gefährden. Wann dieser Zustand überschritten ist, ist bei Cannabis, anders als etwa bei Alkohol, etwas schwieriger festzustellen, denn es gibt kein allgemein anerkanntes Verhältnis zwischen Einnahme und Wirkung.
Beispiel Alkohol: Hier ist etwa mit Blick auf den Straßenverkehr medizinisch anerkannt, ab welcher Promille-Grenze jemand nicht mehr in der Lage ist, einen PKW sicher zu führen. Bei schwerabhängigen Personen sagen diese Grenzwerte nicht viel aus. So sind diese Personen unter Umständen erst leistungsfähig, wenn sie ein Glas Bier getrunken haben. Bei Cannabis lässt sich dies noch schwieriger feststellen.
Um dieses Problem zu vermeiden, bietet es sich für Arbeitgebende an, ein vollständiges Cannabis-Konsumverbot in ihren Betrieben einzuführen. Das lässt sich auch ohne gesetzliche Regelung arbeitgeberseitig einführen. Wenn es keinen Betriebs- oder Personalrat gibt, kann dies durch eine Weisung erfolgen. Gibt es im Betrieb einen Betriebs- oder Personalrat, kann dies nur mit Zustimmung dieser Gremien eingeführt werden. Hierfür kann dann eine Betriebs- oder Dienstvereinbarung abgeschlossen werden.
Viele Arbeitgebende haben schon eine Betriebsvereinbarung für das Thema Alkohol. Vieles davon ist auf den Umgang mit dem Cannabis-Thema übertragbar, etwa wie man aus betrieblicher Sicht mit Suchtkranken umgeht.
Über den Interview-Partner
Florian Garden ist Partner bei der Rechtsanwaltskanzlei Fuhlrott Arbeitsrecht. In seinem Fachgebiet ist er auf betriebsverfassungsrechtliche Fragestellungen spezialisiert.
Was sollte in einer Betriebsvereinbarung geregelt sein?
UK Nord: Was müssen Arbeitgebende also bei der Erstellung einer solchen Betriebsvereinbarung oder einer Erweiterung beachten? Was sollte mindestens geregelt sein?
Florian Garden:
Es beginnt bei Standardregelungen, etwa zum Geltungsbereich. Dazu gehört nicht nur zwingend das Firmengelände, sondern auch das Homeoffice. Arbeitgebende müssen das Interesse haben, dass die Mitarbeitenden ihre Arbeit auch zu Hause nicht intoxikiert erbringen. Dazu kommen die inhaltlichen Regelungen, wie etwa das absolute Verbot von Cannabis-Konsum oder auch das Verbot, Cannabis auf dem Betriebsgelände mit sich zu führen. Häufig findet man auch Regelungen zur Suchtprävention. Denn gutes Gesundheitsmanagement setzt früh ein, etwa bei der Suchtprävention.
Bei den Konsument:innen muss man unterscheiden zwischen Personen, die ihren Konsum noch steuern können und Personen, die das nicht mehr können. In der ersten Gruppe ist der Konsum als eine verhaltensbedingte Verfehlung anzusehen, in den anderen Fällen ist die Person ungeeignet, ihre Arbeit zu verrichten. In den Fällen echter Suchterkrankungen sind, wenn andere Maßnahmen nicht mehr helfen, krankheitsbedingte Kündigungen denkbar.
Natürlich ist eine Kündigung immer nur das letzte Mittel. Zuvor müssen sich Arbeitgebende an den üblichen arbeitsrechtlichen Kanon halten. Bei verhaltensbedingten Verstößen kann etwa eine Ermahnung ausgesprochen werden, die ohne rechtliche Konsequenzen bleibt und die auch nicht in der Personalakte Eingang findet. Möglich ist es aber auch, direkt eine Abmahnung auszusprechen – mit der Erklärung, dass im Wiederholungsfall weitere Sanktionen bis hin zu einer Kündigung drohen.
Dürfen Arbeitgebende ihre Beschäftigten zum Drogentest schicken?
UK Nord: Dürfen Arbeitgebende ihre Beschäftigten zum Drogentest schicken, wenn sie den Verdacht hegen, dass diese unter Einfluss von Cannabis arbeiten?
Florian Garden:
Auch da ist wieder das Persönlichkeitsrecht als Abwägungsinteresse zu betrachten. Drogentests stellen einen nicht unerheblichen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmenden dar. Zwingende Tests sind daher unzulässig, es sei denn, es handelt sich um sicherheitsrelevante Berufe wie etwa Pilot:innen oder Polizist:innen.
Das Angebot für freiwillige Tests sollte aber in die Betriebsvereinbarung aufgenommen werden. Grund: Weil es an eindeutig dem Cannabiskonsum zuzuordnen Symptomen fehlt, sind Arbeitgeber häufig auf Indizien angewiesen, die auf den Konsum schließen lassen. Neben den häufig zitierten roten Augen oder einer verlangsamten Reaktion kann dies auch die Verweigerung eines freiwilligen Drogentests sein. Wer offensichtlich intoxikiert ist, aber das Angebot für einen Test ausschlägt, macht sich weiter verdächtig. Die Verweigerung eines freiwilligen Drogentests kann dann ein weiteres Indiz dafür sein, dass Cannabis-Konsum vorliegt. Die Kosten für den freiwilligen Test übernimmt in aller Regel der Arbeitgeber. Wenn betriebsärztliches Personal vorhanden ist, was jedenfalls im Öffentlichen Dienst häufig der Fall ist, bietet es sich an, den Drogentest bei diesem durchführen zu lassen.
Wie kann Cannabiskonsum im Homeoffice kontrolliert werden?
UK Nord: Tests bei Mitarbeitenden, die häufig das Homeoffice nutzen, sind dann eine Herausforderung?
Florian Garden:
Cannabis-Konsum im Homeoffice zu kontrollieren ist schwierig. Eine gewisse Kontrollmöglichkeit haben Arbeitgebende aber. In den Unfallverhütungsvorschriften heißt es, dass Arbeitgeber solche Arbeitnehmer nicht arbeiten lassen dürfen, die erkennbar nicht in der Lage sind, die Arbeit ohne Gefahr für sich oder andere auszuführen. Dies trifft auch auf intoxikierte Arbeitnehmer zu. Denken Sie etwa an Arbeitnehmer, die im Außendienst einen PKW führen oder außerhalb des Betriebsgeländes mit gefährlichen Maschinen arbeiten. Vorgesetzte, die das nicht kontrollieren, können sich haftbar machen, sogar im strafrechtlichen Sinne.
Martin Scheele, freier Journalist