Klimawandel, Dekarbonisierung, neue Energien
Sicher & gesund (s&g):
Es ist klar, dass wir die Arbeitnehmenden im Sommer gegen große Hitze oder im Katastrophenfall bei Unwettern schützen müssen. Aber was sind die indirekten Wirkungen des Klimawandels und warum haben sie Einfluss auf Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit?
Prof. Dietmar Reinert:
Die indirekten Wirkungen des Klimawandels lassen sich gut anhand der regenerativen Energien beschreiben. Ich möchte Ihnen dazu zwei Beispiele geben.
Bis Ende 2045 müssen Kommunen die Wärmeversorgung aus CO2-neutralen Quellen sicherstellen. Kommunen, die selbst Energieerzeuger:innen sind und zurzeit noch konventionelle Energiequellen nutzen, müssen auf CO2-neutrale, regenerative Energiequellen umstellen. Das bedeutet auch, die Gefährdungen aus der Arbeit mit regenerativen Energien zu kennen und die Beschäftigten entsprechend zu schützen, zum Beispiel Beschäftigten auf Windkraftanlagen die passende Persönliche Schutzausrüstung für Höhenarbeitsplätze bereitzustellen, Beschäftigte in Biogasanlagen vor schädigenden Gasen und Dämpfen zu schützen.
Oder nehmen Sie kommunale Fuhrparks, die auf Elektrofahrzeuge umgestellt werden. Die fuhrparkbetreibende Kommune, aber auch Feuerwehr und Rettungskräfte, müssen sich mit typischen Gefährdungen, etwa durch Batteriebrand, auseinandersetzen. Und sie müssen wissen, wie man sie bekämpft.
s&g:
Was können die Akteur:innen im Arbeits- und Gesundheitsschutz tun, z. B. Unfallkassen und Berufsgenossenschaften, staatliche Arbeitsschutzbehörden, gesetzgebende Institutionen? Muss sich das Regelwerk der Unfallversicherungsträger ändern?
Prof. Reinert:
Das Regelwerk der Unfallversicherung wird in Teilen schon mit Blick auf die Auswirkungen des Klimawandels geändert. Die Arbeitsschutzregel ASR 5.1 „Arbeiten im Freien“, befindet sich zurzeit in der Erarbeitung. Bereits zur Verfügung stehen die ASR 3.5 „Hitze in Räumen“ und die DGUV-Info 203-085 „Arbeiten unter der Sonne“, nicht zu vergessen DGUV-Schriften zur Sicherheit regenerativer Energieanlagen, etwa Windkraftanlagen DGUV-I 203-007, Biogasanlagen DGUV-I 203-081 oder Solaranlagen DGUV-I 203-080.
Die gesetzliche Unfallversicherung muss die Menschen aber noch besser informieren. Die neuen Sicherheitsvorschriften müssen in Aus- und Fortbildung der Beschäftigten integriert werden.
s&g:
Welche Anforderungen stellen sich unter dem Klimawandel für Ausbildung und Weiterbildung von Fachkräften? Wie sind die Unfallversicherungsträger hier involviert?
Prof. Reinert:
Die Gefährdungen durch den Klimawandel sind eigentlich gut bekannt. Allerdings verschieben sich Gefährdungen zwischen unterschiedlichen Branchen, zum Beispiel Hochvoltanwendungen in Automobilwerkstätten. Die Unfallversicherungsträger müssen mit ihrem sehr vielfältigen Fortbildungsangebot dafür sorgen, dass das Wissen zu den Menschen kommt, die von den neuen Gefährdungen betroffen sind.
Was die direkten Wirkungen des Klimawandels betrifft, hat mein Haus zum Beispiel von 2015 bis 2020 ein Forschungsprojekt zur Belastung der Haut durch ultraviolette (UV)-Strahlung an über tausend Arbeitsplätzen jeweils in den Monaten April bis Oktober durchgeführt (GENESIS-UV). Dabei wurde deutlich, welche Tätigkeiten besonders betroffen sind und wie die Personen vor Hautkrebs geschützt werden können. Diese Informationen verwenden wir inzwischen nicht nur zur Fortbildung in den Betrieben, sondern auch in Kindergärten und Schulen, um Kinder frühzeitig vor der erhöhten UV-Strahlung zu schützen, etwa mit „Cosmo und Azura“, einem Hörspiel und Buch, mit dem Kita-Kinder lernen, wie sie sich gut gegen Sonnenstrahlung schützen.
Letztlich ist guter Arbeits- und Gesundheitsschutz im Unternehmen auch ein Wettbewerbsvorteil im Rennen um Fachkräfte. Jüngere Beschäftigte und Berufseinsteiger:innen haben oft ein hohes Gesundheitsbewusstsein. Mit ihrem Beratungs-, Schulungs- und Informationsangebot kann die Unfallversicherung zur Wettbewerbsfähigkeit ihrer Mitglieder beitragen.
Interview: Klaudia Gottheit
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Institut für Arbeitsschutz der DGUV
Erneuerbare Energien und Kreislaufwirtschaft